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Infoblatt Die Maghreb-Union


Die Staaten der Union du Maghreb Arabe (UMA)

Das Wort "Maghreb" stammt aus dem Arabischen und bedeutet soviel wie "Westen" oder "Ferner Westen". Mit den Maghreb-Staaten werden häufig die Staaten Marokko, Algerien und Tunesien sowie Libyen bezeichnet. Die Maghreb-Union (Union du Maghreb Arabe, UMA) wurde am 17. Februar 1989 mit dem Ziel der wirtschaftlichen Kooperation sowie der außen-, innen- und kulturpolitischen Zusammenarbeit von den vier genannten Staaten sowie Mauretanien und Ägypten gegründet. Durch die unterschiedlichen Gesetzgebungen der Mitgliedstaaten, die schwerfällige Bürokratie, die fehlenden Finanzmittel und den geringen Warenaustausch der Länder untereinander ist die Umsetzung der Maghreb-Union jedoch problematisch. Insgesamt konnten zwar zahlreiche, teilweise schon lange geplante, regionale Vorhaben (z. B. der Ausbau transmaghrebinischer Bahn-, Straßen- und Pipelineverbindungen) vorangetrieben werden, eine Zollunion konnte bis heute jedoch nicht erreicht werden.

Nur kurz nach der Gründung der Union führte der erste 1. Golfkrieg 1990/91 unter den maghrebinischen Regierungen zu grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten über die Haltung zum Irak. So geriet der Kooperationsprozess zunächst wieder ins Stocken. Dazu trugen auch das Wiederaufleben zwischenstaatlicher Spannungen in der Region, die UN-Sanktionen gegen Libyen und nicht zuletzt innenpolitische Entwicklungen (z. B. Bürgerkrieg in Algerien) bei. Der Kooperationsprozess innerhalb der Union wurde 1998 erneut vorangetrieben. Marokko und Tunesien vereinbarten als Zwischenschritt zu einer größeren maghrebinischen Freihandelszone die Abschaffung aller bilateralen Handelsbarrieren bis 2008. Das zunächst bilaterale Abkommen wurde 2004 durch die Schaffung einer Freihandelszone zwischen Marokko, Tunesien, Ägypten und Jordanien (Agadir-Staaten) erweitert. Neben den wirtschaftlichen Belangen intensivierten die Maghrebstaaten ihre Kooperation auch im Bereich der inneren Sicherheit. Die Mitgliedsstaaten der Maghreb-Union leiden unter erheblichen Strukturdefiziten. Gründe sind eine geringe landwirtschaftliche Nutzfläche, die schwach entwickelte industrielle Basis, zeitweise ideologisch motivierte Wirtschaftspolitik, autoritäre Regierungen und eine unterlassene frühzeitige Familienplanung. Die Folge sind hohe Arbeitslosigkeit, starke Inflation, ein hohes Bevölkerungswachstum und z. T. eine wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerungen mit den Regierungen. Zu beobachten war eine zunehmende Radikalisierung und steigende Hinwendung zum politischen Islamismus v. a. ökonomisch benachteiligter Gruppen (aber nicht ausschließlich). Prinzipiell lassen sich solche Defizite in allen Staaten der Union feststellen, es bestehen aber erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Ausmaßes und der Problemlösungsstrategien.
Der Selbstmord eines verzweifelten jungen Informatikers und Gemüsehändlers löste Ende des Jahres 2010 Unruhen in Tunesien aus, die als `Jasminrevolution´ oder `Arabischer Frühling“ einen Umbruch in der ganzen arabischen Welt auslöste. So begannen im Januar 2011 Proteste des Volkes in Algerien, im Februar 2011 begannen Unruhen in Lybien. Nachdem sich in den Regierungen der Maghrebstaaten mehr oder weniger große Veränderungen ergeben haben, trafen sich im Februar 2012 die Außenminister der fünf Staaten Algerien, Libyen, Mauretanien, Marokko und Tunesien in Rabat (Marokko) – zum ersten Mal seit 15 Jahren. Das Ziel des Treffens war die Zusammenarbeit in Wirtschaft und Politik in Nordafrika. Die Politiker sehen nun eine große Chance, die nun 20 Jahre alte Idee der Arabischen Maghreb-Union umzusetzen.


Ägypten

Ägypten stellt mit rund 80,4 Mio. Einwohnern das mit Abstand bevölkerungsreichste Land der Maghreb-Union dar. Die Region entlang des Nils und am Nildelta zählt zu den am dichtesten besiedelten Gebieten der Welt. Zu den wichtigsten Wirtschaftssektoren des Landes gehört der Tourismus. Die politische Lage Ägyptens war durch eine lange Kontinuität in der politischen Führung des Landes gekennzeichnet. Präsident Mohamed Hosni Mubarak war fast 30 Jahre im Amt. Er sprach sich für eine wirtschaftliche Öffnung und Privatisierung sowie eine vorsichtige Demokratisierung aus. Mubarak versuchte die innere Sicherheit durch die z. T. gewaltsame Zurückdrängung islamischer Tendenzen zu stabilisieren. Im Zuge der Revolution Anfang 2011 erklärte Husni Mubarak durch den Druck des Volkes seinen Rücktritt, seitdem wird Ägypten von einem Militärrat regiert. Am 28. November 2011 begannen mehrere Monate andauernde Parlamentswahlen, aus denen die islamistischen Parteien mit einem Stimmenanteil von über 70 % als Sieger hervorgingen.


Algerien

Algerien ist flächenmäßig das zweitgrößte Land Afrikas, ist jedoch relativ dünn besiedelt. Seit Mitte der 1990er Jahre destabilisieren gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen radikalen Islamisten, der staatlichen Armee sowie vom Staat möglicherweise geduldete Milizen das Land. Zwar ist seit 1996 die parlamentarische Demokratie eingeführt, aber dennoch gibt es erhebliche Zweifel am Rechtsstaat. So sehen sich beispielsweise noch immer kritische Journalisten staatlicher Verfolgung ausgesetzt. Oberstes Ziel des seit 1999 amtierenden Präsidenten Bouteflika ist die Wiederherstellung des inneren Friedens und eine nationale Aussöhnung der zerstrittenen Gruppen. Wirtschaftlich bemühte sich die Staatsführung in den vergangenen zehn Jahren, die strenge Planwirtschaft durch eine stärkere Orientierung an marktwirtschaftliche Strukturen abzulösen. Nachdem die Wirtschaft 1993/94 fast zum Erliegen kam, war starke Auswanderung der Bevölkerung die Folge. Die katastrophale Wirtschaftslage zwang Algerien 1995 ein Umschuldungsabkommen mit dem IWF abzuschließen, das die Durchsetzung der Privatisierung nach sich zog. Die staatlichen Unternehmen fanden jedoch aufgrund der politischen Instabilität nur selten Käufer und mussten häufig liquidiert werden. Der wichtigste Wirtschaftssektor Algeriens ist die Erdgas- und Erdölförderung, die nahezu den gesamten Export des Staates ausmacht. Auch in Algerien kam es im Arabischen Frühling zu Unruhen und zwar seit Anfang Januar 2011. Als Hauptmotive der Proteste wurden die mangelnden Zukunftschancen junger Algerien, die korrupten Strukturen und die jahrelang im Amt befindliche Regierung genannt.


Libyen

Mit ca. 6,5 Mio. Einwohnern auf einer Fläche von 1,8 Mio. km² ist Libyen sehr dünn besiedelt. Libyen unterscheidet sich hinsichtlich der Staatsform grundlegend von den anderen Mahgreb-Staaten. Neben den von Staatsoberhaupt Muammar al-Gaddhafi eingerichteten Organen sind weder Parteien noch nichtstaatliche Organisationen zugelassen. Die Macht der Stämme und Familien hat einen wesentlichen politischen Einfluss. Als einzige Opposition hat sich seit 1989 eine zunehmend aktive militante islamistische Organisation herausgebildet, die mit radikalen Aktionen in Erscheinung tritt. Bis Ende der 1980er Jahre war die libysche Regierung nachweisbar selbst in terroristische Aktivitäten verwickelt, die auch zur Destabilisierung der Nachbarländer führten. In jüngster Zeit bemühte sich Gaddhafi aber um Entspannung mit den westlichen Ländern, v. a. mit den USA. Die Volkswirtschaft Libyens ist zu einem enorm hohen Grad von seinen Erdölexporten abhängig, die fast 90 % aller Einnahmen ausmachen. Die schlechte wirtschaftliche Situation Libyens wurde noch verschärft durch jahrelange, 2003 allerdings endgültig abgeschaffte, Wirtschaftssanktionen seitens der UN.
Im Februar 2011 brach in Libyen der Bürgerkrieg aus, der zahlreiche Opfer forderte. Es wurde ein Nationaler Übergangsrat eingerichtet und westliche Staaten sprachen sich gegen das Vorgehen der Regierung aus. Sie initiierten Blockaden und Luftangriffe. Im Oktober 2011 wurde der jahrelange Regierungschef Gaddafi festgenommen und getötet. Am 23.10.2011 erklärte der Übergangsrat das Land Libyen als befreit. Seither stehen weite Teile des Landes unter der Kontrolle der Revolutionsbrigaden. Im Frühjahr 2012 befindet sich das Land noch in keiner stabilen politischen bzw. wirtschaftlichen Situation.


Marokko

Marokko gilt als die liberalste und am weitesten geöffnete Volkswirtschaft der Maghreb-Staaten. Marokko zeichnet sich, bedingt durch die starke politische Position König Hassans II und ab 1999 König Mohamed VI, durch eine hohe Systemstabilität aus. Die wirtschaftliche Situation ist jedoch unbefriedigend, das Pro-Kopf-Einkommen liegt unter dem Algeriens und Tunesiens. Der wichtigste Wirtschaftssektor Marokkos ist noch immer die Landwirtschaft, in der über 40 % der Erwerbstätigen des Landes arbeiten. Die marokkanische Außenpolitik ist durch eine sichtbare Verbindung zu den USA, die starke Europabindung und die auf Ausgleich bedachte Politik innerhalb der Maghreb-Union begründet. Wirtschaftliche Partner Marokkos sind neben den Golfstaaten und den USA vor allem Frankreich, Spanien, Portugal und Deutschland. Neben den Agadir-Staaten wurde 2004 auch mit den USA ein Freihandelsabkommen geschlossen.
Der Arabische Frühling prägte sich in Marokko entsprechend abgeschwächt aus, so dass hier eher von einer 'Evolution', als von einer Revolution gesprochen wird. Es gab eine Verfassungsreform, vorgezogene Parlamentswahlen im November 2011 und weitere Anstrengungen für Neuerungen im Auftrag des Königshauses.


Mauretanien

Mauretanien ist mit 3,2 Mio. Einwohnern das bevölkerungskleinste und ärmste Land der Union (BIP pro Kopf von etwa 930 US-$). Durch seine ethnische Zusammensetzung und seine geographische Lage hat Mauretanien eine Brückenfunktion zwischen dem arabischen Norden und dem schwarzafrikanischen Süden des Kontinents. Die ehemalige französische Kolonie erlangte 1960 unter Ould Daddah die Unabhängigkeit. Seine autoritäre Herrschaft wurde erst 1978 gestürzt. Nach mehreren Umstürzen kam 1984 Sid Ahamad Taya an die Regierung. Die innenpolitische Situation Mauretaniens ist durch Spannungen zwischen der ethnischen Gruppe der Mauren und der schwarzafrikanischen Bevölkerung gekennzeichnet. Trotz Integrationsversuchen ist die Vorherrschaft der weißen Mauren über die schwarze Minderheit ungebrochen. Die mauretanische Wirtschaft ist von wenigen Produkten (Fischerei und Eisenerz) abhängig und daher extrem anfällig. Die Wirtschaftspolitik ist zwar auf eine Liberalisierung und Öffnung ausgerichtet, konnte aber noch keine großen Erfolge nach sich ziehen. Größtes Problem bleibt weiterhin die hohe Auslandsverschuldung.
Auch in Mauretanien kam es zu Beginn des Jahres 2011 zu kleineren Demonstrationen durch einheimische Menschenrechtler. Hauptthema war die Ablehnung der nach wie vor praktizierten Sklaverei. Die Regierung senkte spontan die Preise der Grundnahrungsmittel um ein Drittel und dämmte die Unruhen so ein.


Tunesien

Tunesien zeichnet sich durch politische Stabilität aus. Die Staatsführung verfügt über eine breite Unterstützungsbasis in allen Schichten der Bevölkerung. Innerhalb der Maghreb-Union hat sich das Land wirtschafts- und sozialpolitisch eine Spitzenposition erarbeitet. Zwischen 1988 und 1990 wurden mit Unterstützung der Weltbank und des IWF wesentliche Reformschritte eingeleitet und erste Privatisierungen durchgeführt. Im Jahr 1990 trat Tunesien dem GATT (heute WTO) bei. Zeitgleich wurde mit der Restrukturierung und Modernisierung der Unternehmen, der Verwaltung, der Politik und des Ausbildungswesens begonnen. Bis 2008 sollen von den ca. 4.000 tunesischen Firmen jährlich 300 bis 400 auf ein weltmarktfähiges Niveau gebracht werden. Die Außenwirtschaft Tunesiens ist stärker noch als die der anderen Staaten auf die EU ausgerichtet.
Tunesien gilt als Keimzelle des Arabischen Frühlings, der mit Massenunruhen im Land im Dezember 2010 begann. Mitte Januar 2011 verließ das tunesische Staatsoberhaupt Zine el-Abodine Ben Ali das Land und es wurde eine Übergangsregierung gegründet. Nachdem diese erneut abgesetzt und ein neuer Regierungschef eingesetzt wurde, gewannen im Oktober 2011 Islamisten die Wahlen. Der Umbruch im Land hält an.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Mirko Ellrich, Dr. Petra Sauerborn
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2004
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 12.03.2012